Von Gerd Mägerle
Biberach - Seit gut 70 Tagen ist die CDU/SPD-Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz im Amt, ungefähr so lange ist auch Wolfgang Dahler CDU-Abgeordneter für den Wahlkreis Biberach. Vieles sei für ihn in Berlin immer noch neu, sagte der 50-jährige Rechtsanwalt vor Vertretern des Wirtschaftsrats in den Räumen des EnBW-Regionalzentrums in Biberach. So wähle er Termine, zu denen er eingeladen werde, aus nach dem Bezug zum Wahlkreis, nach eigenen politischen Fachthemen und manchmal auch nach der Location. Da gebe es in Berlin schon besondere Veranstaltungsorte. „Das ist der kleine Luxus, den ich mir gönne“, so Dahler.
Mitglied ist er aufgrund seiner anwaltlichen Tätigkeit im Familienausschuss des Bundestags, außerdem im Petitionsausschuss. „Der ist unter Abgeordneten nicht so beliebt, aber ich arbeite da gerne mit.“ Man sehe dabei, wo die Probleme unseres Landes liegen, so Dahler. Zu den anderen Abgeordneten aus dem Wahlkreis, Martin Gerster (SPD) und Anja Reinalter (Grüne), habe er ein gutes kollegiales Verhältnis.
Dahler nahm auch Stellung zur geplatzten Wahl der Bundesverfassungsrichter und der Diskussion um die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Ungefähr 150 von rund 200 Mails, die in den vergangenen Tagen erreicht hätten, hätten dies zum Thema gehabt.
Er selbst habe von der ganzen Diskussion erst kurz vor dem geplanten Wahltermin erfahren, so wie große Teile der Unionsfraktion auch. Dass sich Fraktionschef Jens Spahn dann auch noch auf die Plagiatsvorwürfe um Brosius-Gersdorfs Dissertation daraufgesetzt habe, hält Dahler nicht für geschickt. „Ich hätte das nicht gemacht.“ Dass das ganze Thema nicht gut gelaufen sei, müsse sich auch Spahn eingestehen. Er gehe davon aus, dass Frauke Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurückzieht, sagte Dahler.
Bei den Diskussionsteilnehmern des Wirtschaftsrats kam Spahns Agieren nicht gut weg. „In der freien Wirtschaft wird man für sowas nicht befördert“, meinte ein Teilnehmer süffisant. Als Fraktionsvorsitzender brauche es auch Fingerspitzengefühl.
Neben diesen emotionalen Aufregerthemen kämen wichtigere Themen wie Wirtschaft oder Verteidigung in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals zu kurz, schilderte Dahler seine ersten Wahrnehmungen des Berliner Politikbetriebs. Wenn es gelinge, den Bürokratieabbau voranzutreiben, den Wohlstand und die Sicherheit zu erhalten, „dann werden die extremen politischen Ränder kleiner“, zeigte sich Dahler überzeugt.
Bei der Verteidigungspolitik habe sich auch die CDU in den vergangenen 20 Jahren nicht mit Ruhm bekleckert. „Man hat sich ausgeruht – und durch den Ukrainekrieg und Trump ist plötzlich alles anders.“
Auch das sogenannte Sondervermögen ist laut Dahler kein Freifahrtschein. „Irgendwann müssen wir dafür auch die Zinsen zahlen. Das geht nicht ohne Einschnitte in vielen Bereichen.“ Es brauche jetzt Geld für Bereiche wie Verteidigung und Infrastruktur. Sparen halte er hingegen beim Bürgergeld für angebracht, so der CDU-Politiker. „Das sollte es nur für die geben, die es wirklich brauchen.“ Ein Fehler sei es gewesen, dass auch die Geflüchteten aus der Ukraine Bürgergeld erhalten hatten.
Auch in der Migrationspolitik müsse sich einiges ändern, so Dahler. „Wir müssen unterscheiden zwischen Menschen, die aus Asylgründen zu uns kommen und denen, die kommen, weil sie in Deutschland einfach auf ein besseres Leben hoffen.“ Das könne er zwar persönlich nachvollziehen, trotzdem könnten diese Leute nicht hierbleiben.
Bei den Teilnehmern sah man dies kritisch. So meinte einer: „Diese Leute werden nicht gehen. Sie sind doch längst in unseren Systemen drin.“
In der anschließenden Diskussion, die von Sektionssprecher Rudolf Sommer moderiert wurde, bemängelten einige Teilnehmer die geringe Veränderungsgeschwindigkeit in Deutschland. „Wir wissen, wo es klemmt, aber wir brauchen ewig, bis wir die Dinge umsetzen“, sagte ein Teilnehmer.
Auch um eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht dreht sich die Debatte. Dahler: „Die Freiwilligkeit wird uns beim Wehrdienst nichts helfen. Ich glaube, dass wir die Wehrpflicht wieder brauchen und hoffe, dass wir in zwei Jahren so weit sind.“ Ein Diskussionsteilnehmer regte ein generelles soziales Pflichtjahr für alle an, entweder bei der Bundeswehr oder im zivilen Bereich. „Diese Bürgerpflicht stärkt das Wir-Gefühl und die Sozialkompetenz.“
Zum Schluss der Runde wurde deutlich, dass es vielen gerade im Wirtschaftsbereich nicht schnell genug geht, mit den von Merz angekündigten Reformen, um die Wirtschaft anzukurbeln. „Wir laufen Gefahr, unseren Wohlstand zu verlieren, meinte ein Teilnehmer. Dahler bat um Verständnis. In gut 70 Tagen Regierungszeit sei bereits einiges geschehen, aber es sei eben nicht alles sofort umsetzbar.
© Schwäbische Zeitung, Ausgabe Biberach vom 22. Juli 2025