
© Georg Kliebhan
ksc - Biberach
„Jetzt mal ganz ehrlich ...“ - unter diesem Motto hat die SZ die Direktkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien im Wahlkreis Biberach befragt. Persönliches, Politisches, mitunter auch etwas Peinliches mussten sie dabei verraten. Für die zwölf Fragen, die für alle Kandidatinnen und Kandidaten gleichlautend waren, hatten sie in der Live-Befragung durch die Redaktion jeweils nur kurz Zeit zum Überlegen. Das hat Josef Rief (CDU) geantwortet.
Herr Rief, welche Erfahrung hat Ihr Leben nachhaltig verändert?
Ich kann das nicht an einem besonderen Ereignis festmachen. Allerdings gibt es die typischen Einschnitte im Leben, die für mich bedeutend waren und für Veränderung sorgten. Dazu gehört die Einschulung oder der Eintritt ins Berufsleben. Meine Hochzeit war ein außerordentlicher Moment, der Veränderung brachte, auch die Geburt meiner drei Kinder oder der Tod meiner Eltern - und natürlich meine erste Wahl in den Bundestag.
Was ist der größte Luxus, den Sie sich je gegönnt haben?
Das war sicherlich meine 14-tägige Hochzeitsreise in die Dominikanische Republik. Das war mit Abstand der längste Urlaub, den ich je hatte. Wenn man in der Landwirtschaft arbeitet, müssen die Tiere versorgt werden und man muss sich um den Hof kümmern. Oder ich muss auch zahlreiche politische Termine wahrnehmen. Eigentlich bleibt bei einem solchen Beruf wenig Zeit für Urlaub.
Welche neuen Eigenschaften haben Sie während der Corona-Pandemie bei sich entdeckt?
Das ist schwer zu sagen. Das könnten meine Frau oder Kinder besser beurteilen. Aber bestimmt habe ich mich auch ein wenig verändert während der Pandemie. Für viele Menschen war das eine Belastung auf einer ganz anderen Ebene, als wir das bisher gewohnt waren: diese Einschränkungen und die Ausgangssperren, darauf reagieren die Menschen unterschiedlich. Die einen werden ruhiger, die anderen aufbrausender. Für mich selbst kann ich das schwer beurteilen.
Was war Ihr Antrieb, in die Politik zu gehen?
Meine Familie war schon immer politisch aktiv: Mein Vater war Ratsmitglied in Kirchberg. Aber auch mein Großvater 1933, der von der NSDAP aus dem Kirchberger Gemeinderat gedrängt wurde. Nach dem Krieg wurden meine Großmütter Mitglieder der CDU. Am Frühstückstisch hat unsere Familie immer über Politik diskutiert. Es gab ein Schlüsselerlebnis, warum ich später in die Junge Union eingetreten bin: Als ich während meiner Fremdlehre auf dem Hof des Bad Schussenrieder Ortsvorstehers war, begegnete mir häufiger der vormalige Bürgermeister von Bad Schussenried, Hubert Kohler: aus meiner Sicht ein ganz offener und glaubwürdiger Mensch. Es gab im Ort aber eine Gruppierung, welche die Zeitschrift „Motzer“ herausgab und dem Bürgermeister immer am Zeug geflickt hat. Sie hat behauptet, er habe einen bestimmten Brief geschrieben. Das stimmte aber gar nicht und der Bürgermeister ist dagegen auch rechtlich erfolgreich vorgegangen. Trotzdem hat diese Gruppierung bei den darauffolgenden Wahlen viele Stimmen bekommen. Das hat mich motiviert, in die Junge Union einzutreten. Übrigens war einer der Aktivisten der Gruppe Oswald Metzger, später bei den Grünen, der später mein Hauptwettbewerber um das Bundestagsmandat war.
In welchen Punkten liegen Sie mit ihrer Partei über Kreuz?
Ich würde mir wünschen, dass wir als Union noch mehr familienpolitische Akzente setzen. Beispielsweise sollten Kinder mehr Unterstützung bekommen. Das Kindergeld sollte erhöht werden oder man könnte Familien mit steuerlichen Entlastungen fördern. Das kostet natürlich viel Geld. Zugleich müsste die Union die Agrarpolitik besser fokussieren und sich auf diesem Gebiet klarer aufstellen. Wenn man verlangt, dass Landwirte Aufwendungen für gewisse Standards tragen müssen, die sich jedoch am Markt nicht erlösen lassen, dann muss die Gesellschaft die Mehrkosten dafür tragen. Das muss bei der Union deutlich werden.
Wie sähe Ihre Wunschkoalition nach dem 26. September aus?
Eine Alleinregierung der Union wäre mir natürlich am liebsten. Mein bevorzugter Koalitionspartner wäre die FDP. Trotzdem müssen wir mit allen demokratischen Parteien koalitionsfähig sein. Allerdings schließe ich eine politische Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit der Linken aus.
Was tun Sie persönlich ganz konkret, um ihren ökologischen Fußabdruck kleinzuhalten?
Wir sind fast nie in den Urlaub geflogen. Das muss nicht sein. Als Landwirt schaue ich auch immer, dass wir eine gute Ernte erwirtschaften, dann haben wir pro produzierter Einheit einen geringeren Kohlendioxid-Ausstoß. Außerdem habe ich schon Tausende Bäume gepflanzt, seitdem ich im Bundestag bin, pflanzen lassen. Ich besitze zudem eine kleine Photovoltaik-Anlage, mit der ich möglicherweise bald ein eigenes Elektroauto aufladen könnte.
Welche Eigenschaft von Angela Merkel hätten Sie gerne?
Ihre Ruhe und ihre Fähigkeit zur Analyse. Sie kann sich in kürzester Zeit in komplexe Themen einarbeiten. Das ist genial. Wenn Sie Fragen in unserer Bundestagsfraktion beantwortet, äußert sie sich in einer unglaublichen thematischen Breite und Tiefe.
Was war der größte Mist, den Sie als Jugendlicher gebaut haben?
Ich bin ein sehr normaler Jugendlicher gewesen und bin gelegentlich abends zu spät nach Hause gekommen wegen irgendwelcher Festivitäten. Durchaus habe ich auch mal zu viel getrunken. Aber ich musste morgens immer früh aufstehen, da haben meine Eltern keine Gnade gekannt.
Was haben Sie zuletzt bei Amazon gekauft?
Bei Amazon habe ich persönlich noch nie etwas bestellt. Ich will das auch gar nicht. Ich möchte bei Einzelhändlern vor Ort einkaufen. Ich bin Abgeordneter dieses Wahlkreises und kaufe dort auch 99 Prozent der Dinge, die ich brauche, in unserer Region. Das nehme ich ernst. Wenn ich ausnahmsweise etwas schnell benötige, wenn ich in Berlin bin, dann kaufe ich das dort ein, zum Beispiel ein Paar Socken. Meine Familienmitglieder kaufen schon gelegentlich im Online-Handel ein.
Wann haben Sie sich zuletzt für einen Politiker aus Ihrer Partei geschämt und warum?
Das ist ganz klar: Die beiden Unions-Abgeordneten, die mit Schutzmasken Geld verdient haben, das geht überhaupt nicht. Ich bin von beiden auch persönlich sehr enttäuscht. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Was halten Sie vom Gendern?
Sprache hat sich immer verändert. Das ist einfach so. Wir reden nicht mehr wie vor 100 Jahren. Was da jedoch im Augenblick alles mit Engagement betrieben wird, das halte ich für wenig zielführend. Das verkompliziert Sprache, anstatt dass sie zusammenführt, was Aufgabe der Sprache wäre. Mit meiner Muttersprache habe ich aber kein Problem - und mit Vaterland auch nicht.
Copyright Schwäbische Zeitung, Ausgabe Biberach vom 31.8.21