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Foto: Gerd Mägerle
Von Gerd Mägerle
BIBERACH - Elf Stimmen Vorsprung, die Wolfgang Dahler jun. die Nominierung als CDU-Kandidat im Wahlkreis Biberach für die Bundestagswahl am 23. Februar bringen. Er erhält 159 (51,1 Prozent) der 312 abgegebenen Stimmen, der Zweitplatzierte Nico Ruß 148 (47,6 Prozent). Auf den dritten Kandidaten, Ulrich Ott, entfallen lediglich vier Stimmen (1,3 Prozent). Im Lager von Wolfgang Dahler bricht nach der Bekanntgabe Jubel aus, in Nico Ruß' versteinerter Miene ist die Enttäuschung förmlich ablesbar.
Es ist das Ende eines Abends, den viele beim Betreten der Halle längst nicht so spannend erwartet hatten. Überhaupt war eine Bundestagsnominierung der hiesigen CDU nicht mehr so aufregend, seit sich im Juli 2008 Josef Rief gegen den zur CDU konvertierten Ex-Grünen Oswald Metzger durchsetzte. Eben dieser Josef Rief hatte Anfang Oktober verkündet, nach 15 Jahren nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Drei Bewerber hatten im Anschluss ihre Hut um die CDU-Kandidatur in den Ring geworfen: Nico Ruß (30), Konstruktionsmechaniker und Unternehmer aus Stafflangen, Wolfgang Dahler jun. (49), Rechtsanwalt aus Uttenweiler, und Ulrich Ott (56), Wirtschaftsinformatiker aus Bechingen.
Jeder Kandidat hat am Freitagabend 15 Minuten, um sich den Mitgliedern in der Halle vorzustellen, danach können zehn Minuten Fragen gestellt werden. Das Los erbringt die Reihenfolge der Vorstellung: Dahler, Ruß, Ott.
Wolfgang Dahler bedankt sich zunächst bei Josef Rief, der ein Volksvertreter gewesen sei, wie er im Buche steht. „Er war ‚bei de Leut‛“, beschreibt Dahler. Dasselbe wolle er im Fall seiner Wahl auch sein. Er wolle zuhören, verstehen, mitnehmen, einbringen. Dieses „Bei de Leut“-Sein sein sei gerade in Oberschwaben und dem Allgäu wichtig für einen Abgeordneten. Dahler verweist in diesem Zusammenhang auf sein ehrenamtliches Engagement im CDU-Kreisvorstand, dem örtlichen Sportverein und seit Sommer auch als Kreisrat.
Die Politik stehe aktuell vor großen Herausforderungen und müsse Prioritäten setzen. Wichtig sei ihm die Stärkung der Wirtschaft, so Dahler. „Wenn eine Firma wie Liebherr sich aus dem IGI zurückzieht, wissen wir, was das heißt.“ Um der Deindustrialisierung entgegenzuwirken, sei die erste Aufgabe einer neuen Regierung, der Überregulierung den Kampf anzusagen. Es brauche schnellere Verfahren. „Wir müssen den Leuten wieder mehr vertrauen, nur so kommen wir weg von der Bürokratisierung.“
Beim Thema Migration spricht sich Dahler für kürzere Verfahren, schnellere Rückführung und Grenzkontrollen aus. Gleichzeitig brauche es Arbeitsmigration, um den Wohlstand des Landes zu erhalten. „Das dürfen wir aber nicht mit Asylverfahren vermischen.“ Er sei auch bereit, die Schuldenbremse zu lockern, allerdings nur für wichtige Infrastrukturprojekte, nicht für ein Wunschkonzert.
Digitalisierung bedeute nicht nur schnellere Leitungen und bessere Netze, so Dahler und hebt darauf ab, dass auch Verwaltungen mehr Services online anbieten sollten. „Andere Länder schaffen das auch.“ Er wolle im Falle seiner Wahl eine starke Stimme für die Menschen in Oberschwaben und im Allgäu sein. „Nicht marktschreierisch – das bin ich nicht“, sagt Dahler. Er wolle als „the normal one“ in Berlin für die Region kämpfen, zitiert er Fußballtrainer Jürgen Klopp.
Nico Ruß setzt als zweiter Kandidat in einer entschlossen vorgetragenen Rede auf sein junges Alter und frischen Wind. „Der Wahlkreis braucht einen mutigen jungen Kopf, der in der Region verwurzelt ist“, sagt er und hält, wie auch bereits Dahler, große Teile seiner Rede auf Schwäbisch. Er habe zuletzt viele Gespräche mit Bürgermeistern, Wirtschaftsvertretern und Bürgern geführt. Er habe das Verständnis für Wirtschaft und den ländlichen Raum, so Ruß.
In seiner vierjährigen Bundeswehrzeit habe er gelernt, zu kämpfen und über seine Grenzen hinauszugehen. Er befürworte auch aus diesem Grund die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Verbindung mit einem sozialen Jahr. Als Gründer, Unternehmer und Entwickler von Laufschuhen wisse er um die Herausforderungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Ruß fordert weniger Bürokratie und staatliche Bevormundung für mehr Wettbewerbsfähigkeit: „Wir brauchen wieder mehr pragmatische Lösungen, klare Botschaften, mehr Freiheit und Eigenverantwortung.“
Zusammen mit der Wirtschaftskraft bilde vor allem das Ehrenamt das Rückgrat der Region. „Arbeit ist für uns hier etwas Sinnstiftendes und nicht nur etwas Belastendes“, sagt Ruß. Das Bürgergeld werde nicht helfen, um die Leistungsbereitschaft der gesamten Gesellschaft zu steigern. Die Region müsse attraktiv für die junge Generation bleiben. „Unser Wahlkreis braucht frische Ideen, klare Worte und Menschen, die bereit sind voranzugehen.“
Ulrich Ott verwendet als dritter Bewerber große Teile seiner Redezeit darauf, detailliert seine Biografie zu erzählen. Er zieht Parallelen zwischen seiner Arbeit als Wirtschaftsinformatiker und der politischen Arbeit. Hier wie dort müsse zunächst das Zuhören und Hinterfragen und erst dann das Entwickeln von Lösungen stehen. Wie diese seiner Meinung nach aussehen könnten, bleibt er in seiner Rede aber weitgehend schuldig. Als ihm wichtige Politikfelder nennt Ott Migration, Umwelt- und Klimaschutz, Rente und Familie sowie den Begriff „christlich“ im Parteinamen.
Die anschließende Wahl bringt das eingangs erwähnte, knappe Ergebnis. „Ich bin glücklich, dass es für mich ausgegangen ist, und Glückwunsch an Nico Ruß zu seinem tollen Ergebnis“, sagt Dahler danach. Er sei extrem froh, dass er so ein gutes Verhältnis zu seinem Mitbewerber habe. Schließlich geht es für Dahler nun darum, auch die Unterstützer von Ruß für seinen Wahlkampf zu gewinnen. „Die Planung geht sofort los, dann werden die nächsten Wochen sicher mit zwei Jobs ablaufen. Jetzt geht es bis zum 23. Februar voll durch“, so Dahler.
Nico Ruß hingegen spricht von der härtesten Niederlage seines Lebens. Er habe der Partei ein Angebot für Aufbruch, Verjüngung und Neuausrichtung gemacht, das nun leider keine Mehrheit erhalten habe. Ob er in Zukunft noch einmal für eine Kandidatur zur Verfügung stehe, will er am Freitagabend noch nicht sagen.
MEINUNG
Mit der Wahl von Wolfgang Dahler junior bleibt die CDU im Wahlkreis Biberach auf bewährtem Kurs. Dahler hat den gut 300 Mitgliedern bei der Nominierungsversammlung signalisiert, an die Arbeit von Josef Rief in dessen Weise anknüpfen zu wollen. Die Parole „Keine Experimente“ erhielt eine, wenn auch knappe Mehrheit.
Die CDU ist damit im Wahlkreis in den vergangenen Jahren gut gefahren.
Mit Dahler hat sie einen in der Partei seit Langem engagierten, bodenständigen Kandidaten, der einen soliden, wahrscheinlich auch erfolgreichen Wahlkampf führen wird.
Eine Wahl von Nico Ruß wäre sicher die mutigere Entscheidung gewesen. Der 30-Jährige ist erst wenige Jahre in der Partei und hat dort noch nicht das große Netzwerk.
Die Wahl des am Freitag forsch und entschlossen auftretenden Bewerbers wäre deshalb nicht ohne Risiko gewesen, hätte aber der CDU in der Region die Chance eröffnet, neue, vor allem jüngere Wählerschichten zu gewinnen. Ob hier eine Gelegenheit verpasst wurde, wird die Zeit, möglicherweise schon die Bundestagswahl, zeigen.
g.maegerle [at] schwaebische.de
© Schwäbische Zeitung, Ausgabe Biberach - Lokal vom 2.12.2024